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Schweizer Immo-Fonds sind anders

Posted by Zellweger on July 13, 2016 / Posted in Allgemein

 

Etliche britische Immobilienfonds machen derzeit negative Schlagzeilen. Deren Investoren müssen mit Verlusten rechnen. In der Schweiz sind die Dinge zum Glück anders gelagert.

Wäre das, was Anleger britischer Immobilienfonds zurzeit durchmachen, auch in der Schweiz denkbar? Dort ist es für Investoren derzeit alles andere als ein Zuckerschlecken. Wegen der Sorge, dass die Preise von Liegenschaften auf der Insel nach dem Brexit-Votum stark korrigieren werden, wollten viele in den vergangenen Tagen ihre Fondsanteile verkaufen. In etlichen Fällen haben bei diesen Fonds die liquiden und schnell liquidierbaren Mittel (wie etwa Aktien von Immobilienfirmen) jedoch nicht ausgereicht, um die Rücknahmen zu bedienen. 

Vorteile durch Börsenkotierung

Die Verkaufsaufträge der Investoren liegen auf Eis, bis die Fonds wieder über genügend Mittel verfügen. Erinnerungen an die Finanzkrise von 2007/2008 werden wach: Damals mussten nicht nur englische, sondern u.a. auch deutsche Immobilienfonds Objekte mit oft markanten Abschlägen verkaufen und deren Anleger hohe Verluste auf ihren Anteilen in Kauf nehmen. Teilweise sind diese Prozesse noch nicht abgeschlossen.

 

Wie verhält es sich nun in der Schweiz? Anders als die jetzt betroffenen englischen sind die meisten Schweizer Immobilienfonds an der Börse kotiert. Genau diese kotierten Fonds sind es auch, die Privatanlegern offenstehen. Wenn ein Anleger seine Anteile loswerden will, tut er dies im Normalfall über die Börse. Die Liquidität des Fonds wird dadurch zunächst nicht tangiert, selbst wenn der Verkaufsdruck seitens der Anleger steigt.

Demgegenüber werden in Grossbritannien die Fondsanteile von der jeweiligen Gesellschaft zu einem Preis ausgegeben und zurückgenommen, der sich am von unabhängigen Bewertern festgelegten Wert des Immobilienportfolios orientiert. Die Erwartung sinkender Preise wird in diesem Portfoliowert jedoch nicht sofort reflektiert, weshalb Anleger einen Anreiz besitzen, ihre Anteile heute zurückzugeben und zu einem späteren Zeitpunkt billiger zurückzukaufen. Weil dies in Grossbritannien und anderswo nicht über die Börse läuft, wird dort die Liquidität der Fondsgesellschaften jedoch belastet und vergleichsweise schnell überstrapaziert.

Auch bei Schweizer Immobilienfonds haben die Anleger das Recht, ihre Anteile an die Fondsgesellschaft zurückzugeben, allerdings mit einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist auf das Jahresende. Wer heute seinen Fondsanteil zurückgibt, erhält sein Geld also erst in knapp eineinhalb Jahren. Dies lohnt sich aber nur, wenn der Börsenwert unter den sich am Wert des Immobilienportfolios orientierenden Rücknahmepreis fällt, derzeit liegt er aber rund 30% darüber.

Mix an Massnahmen

Sollte es dennoch eines Tages zu Rückgaben im grossen Stil kommen, ist eine Schweizer Fondsgesellschaft trotzdem nicht unmittelbar unter Druck, Immobilien zu verkaufen. Es stünden ihr einige Möglichkeiten zur Verfügung, um die notwendige Liquidität rechtzeitig zu beschaffen. Dazu trägt bei, dass die meisten Schweizer Fonds konservativer finanziert sind, als sie sein dürften. Gesetzlich erlaubt wäre eine Fremdfinanzierungsquote von einem Drittel, bei den meisten Gefässen liegt sie klar darunter (vgl. Grafik). Der Durchschnitt beträgt gerade einmal etwas mehr als 20%, so gerechnet könnte sie etwa um die Hälfte gesteigert werden. Bei einem Liquiditätsengpass kann die Fremdfinanzierungsquote sogar auf 50% erhöht werden.

Oft kann das Fondsmanagement auch kostenintensive Sanierungsmassnahmen oder Entwicklungsprojekte verschieben. Schliesslich bleibt die Alternative, einzelne Liegenschaften zu veräussern. Dass der Fonds mindestens über zwölf Monate Zeit und einen Mix an potenziellen Massnahmen (die stets so einzusetzen sind, dass alle Anleger möglichst gleich behandelt werden) verfügt, dürfte zur Beruhigung der Situation beitragen und die Chancen erhöhen, dass es nicht zu Notverkäufen kommt.

Trotz den Vorteilen des Schweizer Systems kann aber auch hier eine temporäre Schliessung von Immobilienfonds nicht ausgeschlossen werden. Aus einer illiquiden Anlageklasse lässt sich keine liquide machen. Das, was die Anleger britischer Fonds gerade erleben, ist jedoch hierzulande deutlich unwahrscheinlicher.

(Quelle: nzz.ch/Michael Schäfer/08.07.2016, 07.30 Uhr)

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